Lew Nikolajewitsch Tolstoi

Johannes Bogomil

Auf der Suche nach der Gutwerdung

Tolstoi sah den archetypischen Ursprung im russischen Volk. Die Gottheit geht nirgendwohin weg, sondern wohnt unter den Reinen und Gerechten. So viele Perlen liegen in unserer mnemonischen Volksschatzkammer!

Ein einfacher Gedanke, der unserem literarischen Klassiker eingefallen ist: um Frieden zu finden, muss man die Gutwerdung suchen. Und ihre Quelle ist in einer anderen Zivilisation, in Hyperborea. Sich lossagen von verschieden Arten eherner Schlangen und weiterer sich als gut ausgebender, giftiger Chimären, die dem Menschen nur Verkommenheit, Zerfall und Böses bringen!..

Der Duchobor Pjotr Werigin, ein großer, weißer, hyperboreischer Starez, schrieb Tolstoi über die Gutwerdung. 15 Jahre auf den sibirischen Solowezki-Inseln. Eine Figur, die L.­N. ­Tolstoi irgendwie gleicht.
Werigin sah in Lew einen Freund und Lehrer. Ihr Briefwechsel setzte sich nach der Emigration der Duchoboren nach Kanada fort, wo Werigin eine Gemeinde leitete.
Es beleidigte Lew Nikolajewitsch, wenn man von ihm als einem großen Schriftsteller sprach. Je mehr man „Krieg und Frieden“, „Anna Karenina“, seine Romane, Erzählungen, ­lobte, desto stärker geriet er in Empörung:
„Was für eine Blindheit? Sie wollen nicht mein wahres Selbst anerkennen, das ich jetzt bin! Der geistige Tolstoi geht gesetzmäßig aus dem literarischen hervor!“
In der traditionellen Orthodoxie hält sich Lew Nikolajewitsch nicht lange auf. Er findet in ihr nichts weiter außer dem Ritual, welches das unüberwundene Böse tarnt.
„Ringsum ist Verbitterung, Einsamkeit, Entfremdung. Nichts außer ritueller Magie“, – folgert er in seinen Tagebüchern. Wahre Freunde findet er im Volk, in Gestalt des Volks-­Christus, des Christoveren (Duchoboren) Pjotr Wasiljewitsch ­Werigin.
Zu dieser Zeit bemühten sich viele um Freundschaft mit Lew Nikolajewitsch, bekannten sich zu Tolstojanern. Aber unter ihnen gab es keine Leuchter, sie bewohnten keine geistigen Lichtorte – deshalb hütete Tolstoi sich vor ihnen. Doch Pjotr Werigin nannte er auf zärtlichste Art geschätzten Freund und Bruder.

Pjotr Werigin, der lebendige Christus

Pjotr Werigin, der Liebling Tolstois, ist um 34 Jahre jünger als er. Ungeachtet des Altersunterschiedes, weisen sie einander an. Pjotr redet Tolstoi mit „unser guter Freund“ an. Und für Tolstoi ist Pjotr der lebendige Christus. Er schöpft bei ihm Sujets und lauscht einfühlsam den hyperboreischen Geschichten und Legenden, in denen auserlesene Meister Wanderpilger sind… Er fügt sie in seine Volksmärchen ein, in die Lehrbücher für Kinder, die er in großer Zahl schreibt und verlegt.
Tolstoi hat unter den Priestern den Ruf eines Wichtigtuers: er tue keine Buße, er halte sich dafür fähig, eigenständig die Schrift zu studieren, er leugne die Tradition, die heiligen Väter… Doch Lew Nikolajewitsch lernt schlichtweg bei Werigin. Er redet mit ihm feinfühlig, fromm, und schüttet so viel Güte aus, dass Pjotr ihm voll gerührter Tränen schreibt:
„Liebster Lew Nikolajewitsch, wie können Sie mich für Ihren Lehrer halten? Mir stünde es zu, mit der Stirn vor ihre Füße zu schlagen. In Ihnen wohnt die Fülle Christi. Sie sind der verfolgte große Gesalbte!“

Wenn im geistigen Herzen eine Kerze entzündet ist

Die Machthaber jagen Pjotr Christus: er ist ein zu heller Führer. Die Pharisäer wüten… aber die Leute vergöttern. Und er vergöttert seinerseits die Menschen. An der Grenze zwischen dem 19. und 20. Jh. verlassen die Gemeindemitglieder zu Tausenden die Kirchen und gehen zu den Duchoboren, da sie erkennen: es gibt einen anderen Glauben, einen guten, es gibt einen anderen Gott, eine andere Geistigkeit, andere Priester.
Das Zweite Solowezki ging nicht am duchoborischen Gesalbten vorbei. Man entwickelt eine falsche Anschuldigung und sendet Werigin in die Stadt Kola, Gouvernement Archangelsk (nicht weit von den Solowezki-Inseln). Und in Kola erwarten ihn Sonnenvögel, Skolot-Kelten, die Siedlung der Hyperboreer…
Pjotr, in Fußfesseln und Ketten gelegt, trinkt buchstäblich aus dem sonnigen Kelch. Für ihn sind eisige Kälte und grausamer Hunger, ja sogar die Einzelzelle ohne Bedeutung. Wenn im geistigen Herzen eine Kerze entzündet ist – wohlduftet und freut sich das ganze Wesen.
1894 übernimmt das Butyrka-Gefängnis Pjotr Werigin: der Reihe nach, von Verbannung zu Verbannung. Ein Gendarm, ein Priester und noch irgendein staatlicher Exekutor vernehmen ihn im Kreuzverhör. Sie denken darüber nach, mit welcher Foltermethode man ihn quälen soll (und das Butyrka rühmte sich als Folterkammer der höchsten Kategorie)…
Lew Tolstoi fährt, gegen den Willen Sofia Andrejewnas und der Kinder, nach Moskau, um den teuren Freund zu besuchen. Er entfernt sich drei Tage nicht vom Gefängnis. Er sieht Pjotr Werigin mit geistigen Augen und unterhält sich mit ihm. Aber ein äußerliches Treffen wurde abgesagt. Nicht einmal die Weltberühmtheit des Schriftstellers half. Tolstoi klopft an die Tür des Gefängnis – man lässt ihn nicht hinein. Er schreibt Briefe an die erlauchte Familie – sie bleiben ohne Antwort…
…Und Pjotr sitzt in der Zelle, nicht weit entfernt von der, in der später mein Vater Jakob und der Solowezki-Patriarch ­Seraphim gastierten.
Butyrka ist für angestammte Gesalbte. Es gibt in ihr besondere Camera obscura für die dunkle Nacht, die neueheliche Nacht, wenn im Herzen der weinenden Braut Kerzen entzündet werden und durch die Gefängnisgitter und Türen mit gusseisernen Riegeln der Bräutigam kommt und die scharfsichtigen Wächter einschläfert, die den Häftling durch den Türspion belauern…

Die Welt ist gut!

Lew Nikolajewitsch läuft hin und her, er ist verzweifelt. Hinter ihm ist die Familie, hinter ihm – die Chimäre des „großen Schriftstellers“… Wie sehr er auch seiner belletristischen Vergangenheit abschwören will – es klappt nicht.
In Verzweiflung schreibt Tolstoi an Pjotr Werigin: das irdische Leben sei vergänglich, zeitlich, und es gäbe in ihm kein Ziel und keinen Sinn.
Der junge Pjotr antwortet ihm aus der sibirischen Verbannung:
„Ich bin mit Ihnen nicht gänzlich einverstanden, lieber Lew Nikolajewitsch. Die Erde ist eine wunderbare Gabe unseres Allhöchsten.“ Die Welt ist gut. Das Ziel des Lebens eines Menschen auf der Erde ist es kein Böses zu tun, das Herz vor der Bosheit zu bewahren. Ein großes Ziel, Lew Nikolajewitsch!
Wenn der Mensch gut wird, dann bessert sich auch die Erde und schenkt ihm unendliche Früchte, und besondere Mühe muss man dafür nicht aufwenden. Und in der Folge wird auch das Leben gut im Umfeld guter Menschen.“
So spricht der Häftling, der sich mehr als zehn Jahre durch Gefängnisse und Gefangenentransporte quälte!
Hier ist es, unser slawischer archetypischer Bonhommismus1)bonhomme (frz.) – der gute Mensch. So nannten sich die mittelalterlichen Katharer – der westeuropäische Zweig der Bogomilen.! Bewahre keusch das Herz vor dem Bösen und werde eins mit unserem allhöchsten Vater und dem allreinen Goldenen Mütterchen.
Pjotr Werigin wurde für Lew Tolstoi zu einem wahren Tröster. Tolstoi vergöttert Pjotr buchstäblich und durchlebt dessen Hetze qualvoll. Er plant eine ganze Serie an Erzählungen über ihn. Er wünscht sich, die Gedanken des geistigen Leuchters in verbale Form einzukleiden, die geheimnisvolle Hellsicht der guten Menschen genauestens wiederzugeben. Fast als einziger in ganz Russland verteidigt er furchtlos den verbannten Werigin in Briefen und Artikeln:
„Seine Schuld besteht lediglich darin, dass er den Geist christlicher Glaubensgenossen belebte, die in ihrem Glauben erstarrt waren, und das wahre christliche Leben erweckt! Seine Schüler trinken nicht, rauchen nicht, essen kein Fleisch, lehnen Gewalt ab. Seine einzige Schuld ist die, dass er ein lebendiger Christus ist. Seht doch, über welche Vorteile das gute und reine Leben verfügt! In seinen Gemeinden trägt die Erde Früchte, Menschen hören auf krank zu sein!“
Man lacht Tolstoi aus. Und Lew Nikolajewitsch versteht, dass je mehr er sich für Pjotr Werigin einsetzt, desto größeren Schaden fügt er letzterem zu und gibt sich greisenhaften Tränen und dem Gebet hin…

„Wachse in der Güte – und Tausende um dich herum werden gerettet“

Und Pjotr Wasiljewitsch verklärt sich nur in seinen Leiden, er wächst in der Güte von Stunde zu Stunde. Je mehr der Teufel ihn erbosen, verhärten will, von desto größerer Güte wird er erfüllt, gekrönt mit der Krone des Siegers…
Außerdem wird er auch zum Weinenden. Er weint deshalb, weil er sieht: es vergehen einige Jahre und die kirchlichen Hierarchien, die sibirische Konzentrationslager für Menschen Gottes bereiteten, werden selbst in diese gehen…2)Der Rjasaner Bischof Meleti (Jakimow) schlug auf der 3. missionarischen Zusammenkunft der Russischen Kirche im Jahre 1897 ein Projekt vor zur Organisation von Konzentrationslagern in Sibirien, um in ihnen Stundisten-Baptisten festzuhalten. Es liegt eine tragische Ironie darin, dass die ersten Häftlinge des ersten sowjetischen Konzentrationslagers orthodoxe Priester waren, einschließlich einiger der Teilnehmer dieser missionarischen Zusammenkunft.
Schon bald wird sich seine Vorhersage erfüllen. Nach 1917 schicken die Bolschewiken kirchliche Hierarchien – dieselben, die Christoveren misshandelten und verleumdeten – zu Hunderten ins Gouvernement Tobolsk, in dasselbe Obdorsk, wo die Verbannten gequält wurden…
Pjotr trifft seine sogenannten Feinde mit Freuden. Beruhige dich, orthodoxer Abt und Bruder. Rasiere den Karabasow-Bart ab und wachse in der Güte. Dann wird jegliches Böse zurücktreten und das Leben wird sich als hell erweisen. Der Teufel wird die Macht über dich verlieren. Fesseln, Ketten, ja sogar Eskorten und Gefangenentransporte, sogar die Spucke in der Schleimsuppe, sie werden ohne Bedeutung sein… Wachse in der Güte – und Tausende um dich herum werden gerettet.3)Das Gebot von Seraphim von Sarow.

„Wo lebt dein Gott?“

Briefe P. Werigins an verschiedene Leute auf der ganzen Welt sind erhalten geblieben, einschließlich der Briefe an große Lehrer. Hier ist, was Pjotr Wasiljewitsch an Tolstoi schreibt:
„Vor kurzem erschien die Heilige Mutter Gottes einem Mann, der wegen Brennholz in den Wald fuhr. Und zu was, glaubt ihr, wies sie ihn an? Eine Kirche zu bauen und zu beten? Nein: sie wies ihn an, wie man den Menschen uneigennützig dienen soll, wie man sie wertschätzen soll, dass man sich beim Treffen begrüßen soll, nichts Böses tun soll…“
Die reale Mutter Gottes, stellt sich heraus, ist die bogomilische, ja, die duchoborische! Nicht mit römisch-byzantinischen Orthodoxen (‚baut Kirchen und betet‘), sondern mit einfachen Kerlen, ja mit zierlichen Jungfern, Troubadouren und Ménestrels – mit ihnen ging die Mutter Gottes umher!
Ähnliche Erscheinungen gab es zuhauf!
Die Christoveren waren Geführte. Die Gottesmutter ließ sie weder auf dem Altai, in Sibirien, auf den Solowezki-Inseln, auf dem Amur, in der Ukraine, noch im Kaukasus allein…
Ich führe ein Fragment des Disputs zwischen Pjotr Werigin und den orthodoxen Missionaren an. Diese stellten eine inquisitorische Frage:
– Man sagt, dass sie keine Ikonen anbeten, keine Kirchen anerkennen? Worin besteht dann ihr Glaube?
– Der Mensch ist die lebendige Ikone! Die Gottheit durchströmt das Sein von seinen höchsten Formen bis zu seinen niedrigsten, pflanzlichen und tierischen.
– Wo ist dann dein Gott? Unser Gott lebt in der Eucharistie, in Heiligenbildern, in der heiligen Überlieferung, in der Heiligen Schrift. Und wo deiner?
– Und unser Gott ist die Liebe. Ja, und ihr, Brüder (er nennt seine Feinde Brüder, wie ein wahrer Schüler Christi!), wisst doch, was Liebe ist. Mit dem Herzen versteht ihr, dass Liebe alle übrigen menschlichen Sprachen übertrifft. Aber für euch ist es bequem, mithilfe von Ikonen, Ritualen und Kirchen den Menschen Flausen in den Kopf zu setzen, sie im Dunkeln zu halten und zu unterjochen, denn das ist euer Ziel. Ich bedaure euch zutiefst. Aber auch ihr sollt erleuchtet werden! Werdet zu guten Hirten, zu Priestern der Liebe!

Menschen des 25. Jahrhunderts

Während er mit Werigin verkehrt, kommt Tolstoi zu der Er­kennt­nis: Duchoboren sind die Erscheinung Christi in der modernen Welt!
Je mehr Macht auf das Böse ausgerichtet ist, desto grausamer sind die Verfolgungen guter Menschen. Man ertränkt sie, schlägt mit Rudern auf sie ein, verflucht und verbrennt sie, in ganzen Einsiedeleien zusammen mit altertümlichen hyperboreischen Büchern… Aber sie überliefern weiterhin die Botschaft über den guten Gott und bekräftigen: das Böse steht im Dienst des Guten.

Unser guter Vater lässt Böses nicht deshalb zu, um den Menschen zu demütigen, sondern um ihn noch gütiger zu machen, ihm eine neue geistige Erfahrung zu überreichen, ihn als Sieger gegen das weltweite Böse zu krönen!

Bis zu 30 Jahre saßen Güteliebende in Zellen, in Zuchthäusern. Zu Zeiten Elisabeths erstach man sie mit Bajonetten, wie Vogelscheuchen, und sie fielen, nicht einen Laut von sich gebend, und ihre Seelchen entflogen in die helle Slawi-Welt…
Das Verhältnis der Duchoboren zu den Zaren war unterschiedlich. War der Zar gut, liebte er die Menschen, dann war er von Gott. Für solch einen hielt man Alexander I.: er verbot die Verfolgungen von Andersdenkenden, er gab Vergünstigungen. Nikolaj I., der ihn ablöste, war ein Gendarm, ein Inquisitor. Zunächst entledigte er sich der Dekabristen, danach warf er sich auch auf die Christoveren. Er verjagte sie aus bewohnten Orten und schickte sie in karges Land, auf die Krim und in den Transkaukasus, wo sie von Türken-Moslems angegriffen wurden…
Wohin man sie auch verbannte, überall kamen die Duchoboren vorwärts. Die Erde liebte sie. In welcher Wüste sie auch erschienen – nach buchstäblich wenigen Jahren fing diese an, schöne Früchte zu gebären. Sie leben reich, führen aber ein geistiges Leben. Sie trinken nicht, rauchen nicht und werden nicht krank. Sind ordentlich gekleidet, ansehnliche Prachtkerle und Prachtfrauen. Und sind so voll Güte, dass niemand an ihnen vorbeigehen kann. Es zieht die Menschen zu ihnen, sie wollen es ihnen nachmachen.
Lew Nikolajewitsch ist entzückt und ergriffen vom Verständnis der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bei den Duchoboren-Bogomilen. Die Freiheit wird vom geistigen Gewissen bestimmt, der die innere Lyra auf die Tonart des Schaffens von Gutem stimmt. Güte macht den Menschen frei, das Böse versklavt.
‚Befreie dich selbst von innen und du näherst dich dem Besitz der äußerlichen Freiheit und Unabhängigkeit,‘ – schreibt Lew Nikolajewitsch in sein Tagebuch. ‚Wenn der Mensch frei vom Bösen ist und den Tod nicht fürchtet, kann man aus ihm keinen Sklaven machen.‘
Tolstoi bewundert nicht nur die Herztempel, in denen die Gottheit Christi wohnt, sondern auch die Kleider der Duchoboren, und ihr Aussehen. Welch besondere Freundlichkeit in ihren Gesichtern, welch friedliebende Feierlichkeit in ihrem Äußeren! Ruhe und Friedlichkeit in ihren Gesprächen, keinerlei dunkle Leidenschaften, genau, dieses Volk ist vom Himmel gekommen.
Lew Nikolajewitsch sieht in den russischen Bogomilen den nationalen Archetyp. Duchoboren, so schließt er, stellen eine eigene Rasse dar, eine geheimnisvolle Nationalität. Wahre Slawen – aus der Slawi-Welt… „Das sind die Menschen des 25. Jahrhunderts!“ – spricht er mit Entzücken. Als man 1897 die Einrichtung des Nobelpreises verkündet, wendet sich Tolstoi in einem offenen Brief an die Stockholmer Zeitungen und ruft dazu aus, den Friedensnobelpreis an die Christgläubigen zu überreichen, an Christus in deren Gestalt!
Ja, mit dem ersten Friedenspreis zeichnet man, auf Vorschlag des guten Starzen Lew Nikolajewitsch, den Christus von Jerusalem aus…
Am Lebensende warf er sich in seine letzte Flucht, die an der Station Astapowo endete, – nicht nach Optina strebte Lew ­Nikolajewitsch, nicht ins Scharmodinski-Kloster zu seiner Schwester, der Gräfin und Äbtissin Maria Tolstaja, sondern zu guten Menschen – Bogomilen. Viele Male bat er seine Ehefrau ihn friedlich zu seinen Freunden und Brüdern im Geiste zu lassen, doch Sofia Andrejewna war dagegen.

Russische Bogomilen in Kanada

Gute Menschen hatten eine riesige Popularität unter dem Volk. Die Pharisäer verfolgten sie bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.
1897 fasst der Synod den bösartigen Beschluss den „Sektenmitgliedern“ ihre Kinder wegzunehmen und sie in ihren Heimen großzuziehen.4)Der Erlass den Molokanen die Kinder wegzunehmen und sie in Heimen großzuziehen wurde noch in der Regierungszeit Nikolajs II. befolgt.
Man verbannt sie nach Sibirien, Männer und Frauen getrennt. Sie leben in Jakutien, in ferner Einöde, wohin nicht einmal Briefe gelangen…
Ja, das zweite Golgotha…
Pjotr Werigin wendet sich an die Zarin: lässt man sie im Vaterland nicht nach ihrem Glauben leben, so soll man sie doch mit Gott in alle vier Windrichtungen entlassen. Und Alexandra Fjodorowna gibt die Erlaubnis. Siebeneinhalbtausend Duchoboren fahren nach Kanada. Tolstoi zahlt ihnen aus eigenen Mitteln die Tickets.5)Ab 1881 nahm Tolstoi kein Geld mehr für seine Werke (über seine Honorare verfügte Sofia Andrejewna), doch nun verzichtet er auf diese Regel.
Man vertrieb sie, verjagte die Güteliebenden aus Russland und sie wurden, wie einst die mittelalterlichen Bogomilen, von einem anderen Land beherbergt.
Kanada nahm die Duchoboren nicht einfach gastfreundlich auf: es war erschüttert vom hyperboreischen Archetyp guter Menschen.
Man nannte sie eine andere Rasse. „Welch Ehre: gute Menschen sind von den Himmeln gekommen! Solche Menschen gibt es in unserer Erinnerung nicht. Herzlich willkommen!“
Am Hafen begrüßt sie eine riesige Menge. Doch welch Erstaunen bei den Begrüßenden, als sie vom Deck herunterkommen und sich jedem zu Füßen werfen!
– Vor wem verbeugt ihr euch, gute Menschen?
– Wir verbeugen uns vor der Gottheit, vor dem lebendigen Christus in jedem von euch! Wir danken euch, ihr als lebendige Erlöser! War es etwa nicht Christus, der euch ans Herz legte uns ein Obdach vor unseren Verfolgungen zu geben? Seid ihr etwa nicht die Gottesmutter, die den verfolgten Christus aufnahm?..
Denkt nicht, dass das Leben in Kanada einfach war. Man kam zu ihnen, stellten sie auf die Probe. Es kam vor, dass er sitzt, der Gast, auf amerikanische Art, mit den Füßen auf dem Tisch, auf den Boden spuckt, raucht, flucht… Die Duchoboren ertragen es, sie antworten mit vervielfachter Liebe. Andere versuchten die duchoborische Jugend anzupöbeln, aber diese ergaben sich nicht..
Die Kanadier haben sich gefügt, befanden sie für gute und heilige Menschen.

Das Verhältnis zur Erde

Ein besonderes Verhältnis hatten die Duchoboren zur Erde. Die Erde – wie auch das Meer – ist die unbefleckt gebärende Mutter.
Ein archetypischer Glaube! Es geht um die Ehe mit der Erde, was für einen Bauern wichtiger ist als die menschliche Ehe.
Die Erde ist eine lebendige Seele. Sie spürt feinfühlig das Verhältnis zu ihr. Wenn du die Erde liebst, segnest und mit gerührten Tränen begießt – gibt sie hundertmal größere Früchte und liebt, schützt und bedeckt ihrerseits. Bei den Bösen trägt die Erde keine Früchte, wie viel Leibeigene auch auf ihr sind. Aber die Erde guter Menschen ist überreichlich reich.

Das Eintreten in die Unsterblichkeit

Erstaunlich ist bei den Duchoboren das Verständnis vom Schicksal der Seele in der Ewigkeit.
Der Mensch sollte noch auf der Erde in die Unsterblichkeit treten (sich vom Trauma der Todesangst befreien), um in gute Welten zu gehen, wo es weder Verwesung, Angst, Sünde, noch Böses gibt. Von hier geht die erste höchst wichtige Tat aus – die Abkehr vom Bösen und das unaufhörliche Bemühen in Richtung des Guten. Die zweite, nicht weniger wichtige – das Eintreten in die Unsterblichkeit.
Pjotr Werigin befand: „Das Wissen um die Unsterblichkeit ist sehr wichtig, weil damit die Angst überwunden wird. Es ist wichtig, den Tod zu besiegen mit der Geschäftigkeit der tätigen Unsterblichkeit und mit der Festigung der Weltanschauung eines Unsterblichen.“
Die Synodalen diffamierten die Duchoboren: man entlehnte seine Lehre bei den Ikonoboren, bei den „Judaisierenden“, bei den Buddhisten… Tatsächlich schöpften die Buddhisten die altertümliche Lehre von der Unsterblichkeit aus denselben Quellen, wie auch unsere heimischen Christusse – von der Allweisheit der Hyperboreer.
Die Hyperboreer lehrten: die Rechtschaffenden gehen in helle Welten über und werden zu Gottheiten, wonach sie als große und kleine Christusse auf konzentrierte Zonen der Erde heruntersteigen, immer und immer wieder das Licht in der Finsternis und die Freiheit in der unterdrückenden Sklaverei festigend.
Man verfolgt sie, jagt sie, und kann nichts ausrichten. Gute Menschen suchen die Erleuchtung des inneren Wesens und das Sehen Gottes im Nächsten. Wonach sich der Mensch verwandelt und erhellt und anfängt von innen heraus zu strahlen und dient als großartiges Beispiel für die Umgebenden!

Fußnoten[+]